Kette rechts - RBLs # 4 & 5 - Diex & Völkermarkt
Radrennen werden nicht nur mit den Beinen, sondern auch im Kopf gewonnen: der spätere Sieger Janos Pelikan (Amplatz-BMC) setzte etwa zur Halbzeit des Rennens zu einem Solovorstoß an; der Ungar ließ dann Trettwer und Kuen aufschließen und verbrachte die letzten beiden Runden - scheinbar mit den Kräften am Ende - vorwiegend am Schluss der Gruppe.
Auch den Vorstoß von Trettwer auf der Schlussrunde konnte er geduldig abwarten, ehe er zwei Kilometer vor dem Ziel zu einer pfeilschnellen (und erfolgreichen Attacke) ansetzte. Böses Blut kam bei den unterlegenen Konkurrenten nicht auf: beide erklärten unisono, mit dem Kräften ohnedies wirklich am Ende gewesen zu sein.
Zwei prominente Zaungäste verfolgten den GP Südkärnten vom Straßenrand aus: Marco Haller (Katusha) und Bernhard Eisel (DDD). Die beiden WorldTour-Profis kamen auf Kaffee und Kuchen in Völkermarkt vorbei, schrieben zahlreiche Autogramme und wussten Aktuelles zu berichten: Haller hat vor acht Tagen die Nähte nach seiner komplizierten Schulteroperation heraus bekommen (eine Platte, sechs Schrauben) und wird aus dem Training heraus einmal die Tour de Suisse (und vielleicht auch wieder die große Tour bestreiten). Bernhard Eisel will sich bei der Slowenien-Rundfahrt auf die große Schleife in Frankreich einrollen, an der er zum zwölften Mal (!) am Start wäre. Die Staatsmeisterschaft in Grein wird Eisel übrigens auslassen „nix für mich“, dafür steht eine Verlängerung seiner Karriere bis 2019 wieder im Raum.
Der Grazer Thomas Konecny, Rennleiter der Bergmeisterschaft, kam direkt aus Italien nach Völkermarkt. Der Ex-Rennfahrer hatte sich wie –zigtausend andere Fans den Giro in Norditalien gegeben. „Die Bergankunft in Piancavallo war eine Wucht, ein Spektakel, Stunden vorher die Werbekarawane, der ganze Organisationstross, einfach unglaublich. Stunden nach dem Rennen sind wir dann noch in Pordenone gewesen (Startort der Etappe am Samstag), da haben alle Geschäfte fast mit Mitternacht offen gehabt, alle Schaufenster in Rosa gehalten, man muss das einmal gesehen haben“.
Kaum ein Konkurrent, der Benjamin Brkic (Tirol Cycling) nicht den Bergmeistertitel in Diex vergönnt hat. Einstmals der jüngste Elitefahrer in der Bundesliga (mit gerade 17 Jahren), hatte er wegen einer Viruserkrankung nahezu das gesamte letzte Jahr pausieren müssen. Untätig war der Stubaitaler während der Zwangspause dennoch nicht: er hat in Innsbruck die Abend-Mittelschule besucht und steht als 20jähriger nunmehr knapp vor der Matura.
Bei der Siegehrung in Diex hat Patrick Bosman mit der Sonne um die Wette gestrahlt: der Tiroler sorgte mit Silber bei der Bergmeisterschaft für das erste heurige Bundesliga-Spitzenresultat seines Hrinkow-Advarics-Teams. Dabei hatte Bosman vor drei Monaten einen schweren Rückschlag erlitten, als er bei der Rhodos-Rundfahrt unverschuldet schwer gestürzt war und sich den rechten Unterarm gebrochen hatte.
Seit Jahren zählen sie zum festen Bestand des Organisationsteams in Völkermarkt: die Motorrad-Kommissare aus Marburg. Die Slowenen kommen allesamt vom traditionellen „Moto Klub Stajerska Maribor“, ihr Chef Branko Rokavec fährt schon seit über 25 Jahren als Begleiter bei Radrennen mit. „Leider haben wir in Slowenien immer weniger Rennen“, bedauert er. Ihren Job haben die begeisterten Hobby-Biker wie immer zuverlässig und unauffällig erledigt. Weil die Motorräder der Begleiter bekanntlich immer schwerer (und stärker) werden: die sechs Slowenen waren in Völkermarkt zusammen mit fast tausend PS unterwegs!
Hans Enzi, der Vater der Völkermarkter Radsporttage, erinnert sich gerne an die Anfänge. „1985 hab ich das erste Diexer Bergrennen veranstaltet, da haben wir Harry Maier und Paul Popp als Stars verpflichtet, 10.000 Schilling war damals das Startgeld. Und zwei Jahre später hat Helmut Wechselberger als Sieger einen waschechten, quicklebendigen Hammel als Prämie bekommen.“ Aktuell versorgt Hans Enzi beim Straßenrennen seine dutzenden ehrenamtlichen Funktionäre und Helfer mit riesigen belegten Broten und Mineralwasser, stehen manche von ihnen doch vom frühen Vormittag bis in den späten Nachmittag hinein dem Rennsport zur Verfügung. Traurig, aber Realität: die Völkermarkter Radsporttage bilden die letzten verbliebenen Straßenrennen in Kärnten, dem WM-Bundesland von 1987.