Österreichs Tokio-Olympiasiegerin Anna Kiesenhofer gleich an Tag eins im Einsatz
Sie war die Überraschung der Olympischen Spiele in Tokio vor drei Jahren. Anna Kiesenhofer schrieb mit ihrer Goldmedaille eine besondere Geschichte. Als berufstätige Hobbyathletin nahm sich die Doktorin der Mathematik Urlaub und überraschte die versammelte Elite der Straßenfahrerinnen mit ihrem Titelgewinn. Nun kehrt die Titelverteidigerin zurück, mittlerweile selbst Profifahrerin beim schweizerischen Roland-Team, und startet in der französischen Hauptstadt sowohl im Einzelzeitfahren als auch im Straßenrennen.
"Die Freude, dass ich mich wieder für die Olympischen Spiele qualifizieren konnte, ist groß. Ich habe eine gute Vorbereitung hinter mir und hoffe, dass ich die Leistung abrufen kann am Tag, wo es darauf ankommt", erzählte sie gegenüber radsport-news.com vor ihrer Abreise. Seit Dienstag ist sie nun in Paris, nahm am Mittwoch auch schon den Zeitfahrparcours unter Inspektion. 2019 bei den Weltmeisterschaften verpasste sie die Qualifikation für ihre Lieblingsdisziplin, Kiesenhofer fokussierte sich danach auf das Straßenrennen in Tokio, nahm damals als einzige Österreicherin daran teil und holte für die Alpenrepublik die erste Radsportmedaille seit 1896.
"Mit dem Olympiasieg hat sich für mich vieles verändert. Bis zum Ende des Straßenrennens in Tokio hatte ich eigentlich meine Ruhe gehabt. Mein Ziel war es ja auch dort im Zeitfahren anzutreten, aber ich verpasste 2019 die Qualifikation dafür knapp. Die Goldmedaille im Straßenrennen hat mir dann nicht mehr so viele Gedanken gelassen, aber ich bin sehr froh, dass ich nun in Paris auch in meiner Lieblingsdisziplin am Start stehe", meinte sie im Bezug auf ihren Zeitfahrstart.
Denn dort gehört sie seit Jahren zu den Besten der Welt, schaffte es regelmäßig bei den Europameisterschaften in die Top Ten und 2022 auch bei den Weltmeisterschaften. Zu den großen Favoritinnen wird die Niederösterreicherinnen in Paris zwar nicht zählen, aber sie ist eine der Außenseiterinnen, die man auf der Rechnung haben muss. Denn die 33-Jährige hat in Tokio schon gezeigt, dass sie sich perfekt auf den Punkt vorbereiten kann. Und mit der Goldmedaille zu Hause hat sie auch keine Druck, ist sie ja schon Olympiasiegerin.
Letzte Vorbereitung wie im Bilderbuch
"Ich schaue eigentlich nur auf mich selbst, bin fokussiert für die Events in Paris. Wenn andere eine absolute Topform haben und besser sind, kann ich das selbst im Zeitfahren nicht ändern. Aufgrund der oft engen Abstände ist eine Vorhersage im Hinblick auf eine Platzierung schwierig, aber das Podium wäre schon ein Traum. Die Voraussetzungen sind sehr gut und ich hoffe auf ein richtig gutes Rennen", gab sich die Österreicherin selbstbewusst.
Nach einem eher verkorksten Frühjahr mit Krankheiten und einem Sturz kam sie vor den Spielen wieder gut in Fahrt. Im Juni holte sie sich die Meistertitel in Österreich im Zeitfahren und im Straßenrennen: " Seitdem verläuft eigentlich die ganze Vorbereitung wie im Bilderbuch. Ich war nie krank, hatte keine Probleme in den Wochen danach."
Auftakt gleich an Tag eins
Schon am ersten Olympiatag wartet der erste Einsatz im Kampf gegen die Uhr. "Das Einzelzeitfahren ist meine Lieblingsdisziplin. Es ist einfach besser planbar als ein Straßenrennen und man kann sich sehr spezifisch auf diese Disziplin vorbereiten", blickte die Niederösterreicherin voraus und ließ aufhorchen: "Von meinen Wattwerten hatte ich zuletzt im Training noch höhere und damit bessere Werte als noch bei den Meisterschaften."
Am Mittwoch inspizierte sie erstmals den Parcours in Paris. "Es ist ein langes Zeitfahren für Frauen, was mir gut passt. Vielleicht ist der Parcours etwas zu technisch, die Kopfsteinpflasterabschnitte bräuchte ich nicht unbedingt, aber du musst es sowieso nehmen wie es ist und die 300 Meter sollten jetzt kein allzu großes Problem sein", so die Olympiasiegerin von 2021, die eines von zwei heißen Eisen aus Österreich ist am Samstag.
"Ich weiß, was ich brauche, welche Voraussetzungen mich erwarten und bin dann in die Simulation gegangen"
Denn ihre Tiroler Landsfrau Christina Schweinberger gehört auch zum Kreis der Medaillenkandidatinnen, wurde im Vorjahr sowohl Dritte bei den Welt- und den Europameisterschaften in dieser Disziplin. Im Juni bei den Meisterschaften waren beide gleichauf, mit dem besseren Ende für Kiesenhofer, um 39 Hundertstel.
"Die Duelle mit Christina bei den Meisterschaften bringen mich immer voll ans Limit und es zählt wirklich immer jede Sekunde. Es pusht uns beide aber auch extrem", so die Österreicherin, die ihren Start in Paris wieder bis ins Detail plante, ähnlich wie schon vor drei Jahren beim Straßenrennen: "Die Herangehensweise an die Spiele habe ich ähnlich wie in Tokio gewählt. Ich weiß, was ich brauche, welche Voraussetzungen mich erwarten und bin dann in die Simulation gegangen."