Kette rechts - Einzelzeitfahr-Meisterschaften am Ossiacher See
Eine Zeitnehmung, die auf Hunderstel-Sekunden Bezug nimmt, hat nicht nur im Schisport, sondern manchmal auch bei Radrennentscheidungen ihre Richtigkeit. Besonders knapp gings in Feldkirchen im Duell um Bronze bei den Männern zu: Johannes Hirschbichler war gerade um 0,16 Sekunden schneller als Markus Wildauer, macht umgerechnet zweieinhalb Meter Vorsprung nach dreißig Kilometern! Einen kleinen Trost gabs für den Tiroler trotzdem: Wildauer wurde mit Silber in der U23-Wertung hinter seinem KTM-Tirol-Vereinskollegen Patrick Gamper belohnt.
Gleich doppelte Zufriedenheit herrschte bei Stephan Rabitsch: der Felbermayr-Profi konnte sein rotweißrotes Trikot des besten Bundesliga-Fahrers mit Platz neun verteidigen, außerdem wurde der gebürtige Klagenfurter „bester Kärntner Fahrer“. Rabitsch, ein echter Allrounder, will dieses Leiberl möglichst lange auf seinen Schultern tragen: „Ist auch eines unserer Vereins-Ziele in diesem Jahr“.
Matthias Brändle war die Genugtuung und Freude über Zeitfahr-Titel Nummer fünf in Feldkirchen anzumerken. Er war mit Zustimmung seiner „Israel Cycling Academy“ aus der vierten Etappe der „Vier Tage von Dünkirchen“ ausgeschieden und via Flugzeug über München direkt nach Ossiach gekommen. Betreut wurde er von seinem Vater; die Zeitfahrmaschine war mit einer 55:11 Übersetzung ausgerüstet – die der Hohenemser dann auch erfolgreich herumgewuchtet hat. Ein Leistung von knapp 400 Watt über mehr als eine halbe Stunde war notwendig, um einen ganz überlegenen Tagessieg herauszufahren – seinen ersten im heurigen Jahr. “Jetzt freu ich mich auf die Österreichrundfahrt, dort beim Prolog in Wels ins Führungstrikot zu schlüpfen, das wäre toll“, gibt Brändle seine Marschrichtung vor. Bis zur ÖTour will er nur einige kleinere Etappenrennen fahren.
Mit einer Säge in der Hand bearbeitete Andreas Hofer vor dem Start höchstpersönlich seine teure Zeitfahrmaschine Der Lenkerauflieger war um einige Zentimeter zu lang. „Eh klar, er will Gewicht sparen,“ witzelten seine Klubkollegen vom Hrinkow-Team. Für Routinier Hofer, Zeitfahrstaatsmeister 2011, reichte es mit dem „abgespeckten“ Rad noch für Platz vierzehn.
Ein Comeback als Rennfahrer gab Matej Mugerli nach 14monatiger verletzungsbedingter Rennpause. Der Slowene, Bundesliga-Gesamtsieger von 2017, ist mittlerweile sportlicher Leiter beim Conti-Team Sport.Land.NÖ, hat das Rennen aber mit einer Amateur-Lizenz seines früheren Vereins MyBike Stevens bestritten. Platz 27 in der Tageswertung war die Ausbeute des einstigen WorldTour-Profis, der mit fast 38 Jahren der Senior im Feld der Elite-Fahrer war.
Vorbildlich gearbeitet haben die Veranstalter der „Tour de Kärnten“, um ein einwandfreies Zeitfahren zu gewähren. Die gesamte Strecke war gesperrt, 55 Streckenposten, besonnene Polizeiorgane, ein Dutzend Motorräder, hunderte Meter Absperrgitter, Straßenhüte und Absperrbänder ließen ein hohes Sicherheitsgefühl aufkommen. Der Lohn der Arbeit: kein einziger ernster Zwischenfall, und das bei vierhundert Amateuren und weit über hundert Teilnehmern an der Staatsmeisterschaft. Die vom ÖRV angestrebte Kooperation zwischen Profi- und Hobbysport war im vorliegenden Fall jedenfalls ein Erfolg.
Ein bekannter Name scheint unter den Teilnehmern der „Tour de Kärnten“ auf. Der ehemalige WorldTour-Profi Johnny Hoogerland lebt heute in Velden, der 36jährige Holländer war 2011 in einen der spektakulärsten Stürze der Tour de France verwickelt: von einem TV-Begleitauto angefahren, flog Hoogerland in einen stacheldrahtbewehrten Viehzaun. Trotz seiner schlimmen Beinverletzungen konnte er mit eisernem Willen damals die Etappe zu Ende fahren. Ohne Eigenverschulden in diesem Sturz verwickelt war dabei übrigens Juan Antonio Flecha, der regelmäßig im Eurosport-TV die Etappen der großen Profirundfahrten vorstellt.