Vier Österreicher im dreiwöchigen Italien-Einsatz beim Giro
Eine Woche nach den Straßenweltmeisterschaften in Imola wartet das nächste Radsporthighlight in Italien. Mit Patrick Konrad, Patrick Gamper (beide Bora – hansgrohe), Matthias Brändle (Israel Start-Up Nation) sowie Hermann Pernsteiner (Bahrain – McLaren) stehen vier Österreicher in den Aufgeboten ihrer Teams für die zweite GrandTour des Jahres, welche am Samstag in Sizilien beginnt.
„Es war hart, dass ich die WM verpasst habe. Ich hätte lieber live vor Ort mit einer Startnummer am Rücken das Rennen bestritten, als es lediglich vorm Fernseher zu verfolgen. Leider hat es im Hinblick auf Fléche Wallonne und Giro nicht in meine Vorbereitung gepasst, ich freue mich aber in Zukunft wieder das österreichische Trikot bei Großveranstaltungen zu tragen“, erzählte Konrad, der seinen dritten Giro als einer von zwei Gesamtwertungskapitänen beim deutschen Team Bora – hansgrohe in Angriff nehmen wird.
Mit Rang sieben vor zwei Jahren erzielte der Niederösterreicher in Italien sein bisher bestes GrandTour-Gesamtergebnis. Gemeinsam mit dem starken Polen Rafal Majka ist er für die Gesamtwertung vorgesehen. Mit drei Einzelzeitfahren, vielen Bergankünften und nur ganz wenig Flacheetappen wartet die 103. Ausgabe des Giro d’Italia mit einer extrem schweren Route 2020 auf. Vom Süden aus geht es von Sizilien über die Adriaküste in den Norden, wo dann die großen Pässe in der dritten Woche warten.
„Es heißt aber schon zu Beginn gut reinstarten, denn schon am dritten Tag wartet eine Bergankunft am Ätna“, wusste Konrad, der schon zu Saisonauftakt sich auf den Giro vorbereitete. Im Lockdown im März saß er dann mit einer guten Form zu Hause, stieg dann bei der Sibiu-Tour wieder im Juli in das Renngeschehen ein. „Es war eine turbulente Vorbereitung. Zuletzt ist Tirreno-Adriatico nicht so gelaufen, wie ich das wollte. Es fehlte aufgrund einer Erkrankung noch die Substanz, die letzten drei Wochen waren aber gut und deshalb gehe ich optimistisch in den Giro“, berichtete der 28-Jährige.
Der Parcours, der erneut über 21 Etappen führt und am 25. Oktober in Mailand endet, gefällt dem Niederösterreicher sehr gut: „Es ist hart, aber ich mag, dass es drei Zeitfahren gibt. Das bringt Abwechslung in eine GrandTour rein und gehört einfach dazu. Es ist eine Disziplin, die mir auch sehr viel Spaß bereitet.“ Mit dem früheren Toursieger Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), Italiens Altmeister Vincenzo Nibali (Trek – Segafredo), Jakob Fuglsang (Astana), Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma) oder dem Briten Simon Yates (Mitchelton – Scott) warten starke Gegner im Kampf um die Gesamtwertung auf Konrad.
Ein interessanter Faktor könnte auch der späte Termin des Rennens sein. Denn in der letzten Woche warten viele Pässe mit einer Höhe von über 2.000 Meter. „Ich habe meine Winterkleidung eingepackt, aber das ist auch nicht viel anders als im Mai. Wenn ich sie nicht brauche, bin ich auch nicht unglücklich“, erklärte Konrad, denn bereits in der letzten Woche lag schon Schnee am Stilfser Joch. Etwaige Wetterkapriolen könnten vor allem die Bergetappen in der dritten Woche treffen: „Es kann aber auch zu gar nichts kommen. In den letzten Jahren war der Oktober immer mild in Italien.“
Zum vierten Mal steht der früherer Stundenweltrekordler Brändle am Start des Giro. „Ich habe eigentlich nur schöne Erinnerungen an den Giro, bin 2010 mit Footon-Servetto hier das erste Mal bei einer dreiwöchigen Landesrundfahrt am Start gestanden, hatte einen coolen ersten Giro mit Netapp und dann erinnere ich mich gerne an 2016 zurück, wo ich nur knapp einen Etappensieg im Zeitfahren im Trikot von IAM verpasst habe“, erzählte der Hohenemser, der seinen vierten Giro diesmal im Trikot der Israel Start-Up Nation bestreiten wird.
„Die Form passt, die Werte stimmen und ich möchte persönlich bei den Zeitfahren gute Resultate einfahren“, erklärte der Österreichische Meister im Kampf gegen die Uhr. Vor allem für die flachen Etappen hat seine Mannschaft ein starkes Aufgebot und der Vorarlberger wird die Sprinter Rudy Barbier, Rick Zabel und Davide Cimolai im Leadout unterstützen.
Absolut das Gegenteil vom flachen Terrain hat sich Debütant Pernsteiner, der im letzten Jahr eine starke Vuelta a Espana fuhr, dick angestrichen. Der Kletterspezialist geht erstmals in den Giro und freut sich auf seine Premiere: „Es war immer mein Saisonziel. Wir haben die genauen Aufgaben noch nicht besprochen, ich denke aber, dass ich in den Bergen meine Freiheiten bekommen werde.“
Auch der Mann aus der Buckeligen Welt erwartet eine schwierige Rundfahrt durch Italien. „Schon die Tage in Sizilien werden hart und auch dazwischen sind schon harte Etappen vor der letzten Woche. Dann wird es brutal, lange Etappen und mehr als 5.000 Höhenmeter auf mehreren Tagen. Da wird sich alles entscheiden“, blickte Pernsteiner voraus und merkte an, dass jedes Korn, dass man für die entscheidenden Bergetappen sich aufheben kann, noch wichtig sein wird.
„Der Start wird sicher heiß, ich denke, dass es im Verlauf des Rennens dann ziemlich abkühlt. Ich mag es eigentlich, wenn es wärmer wird. Ich hoffe mal auf einen guten Herbst und dass es dann in den Alpen nicht zu schlecht wird“, so Pernsteiner im Hinblick auf mögliche Wetterkapriolen. Die größte Vorfreude bereitet ihm natürlich das italienische Flair, welches das Rennen versprüht.
Auf dieses freut sich auch der zweite Debütant des rot-weiß-roten Quartetts. „Die Vorfreude ist nach der langen der Vorbereitung natürlich riesig und ich hätte nicht erwartet in diesem speziellen Jahr eine GrandTour fahren zu dürfen. Da geht schon ein Kindheitstraum in Erfüllung“, erklärte der 23-jährige Tiroler.
Seine Aufgaben bestehen darin, die drei Kapitäne Konrad, Majka und Sprinter Peter Sagan so gut es geht zu unterstützen. „Da wird viel Arbeit anstehen und das ist auch absolut die Priorität. Erst danach werde ich sehen welche Freiheiten ich in den Zeitfahren habe“, erklärte Gamper, der im Winter zum Bora-Team stieß und dort sein erstes Jahr in der WorldTour verbringt. Eine völlige Unbekannte werden für den Debütanten die Bergpässe sein.
„Ich fahre in Italien immer sehr gerne Rennen, weil mir das Land und die Mentalität sowie Stimmung bei den Rennen sehr gut gefällt. Ich glaube, dass es im Rahmen der Möglichkeiten, schon viele Zuschauer geben wird. Die Italiener werden sich den Giro nicht nehmen lassen. Aber hoffentlich halten sich alle an die Spielregeln“, sagte Gamper.