Kette rechts! - Burgenland-Rundfahrt in Horitschon
Mit etwas verzwicktem Gesicht war der spätere Tagessieger in Horitschon angekommen. Gerne hätte Ricci Zoidl nämlich mit der Felbermayr-Truppe die Rhone-Alpes -Tour bestritten. Teamchef Andreas Grossek hatte seinen Star aber ins Burgenland abkommandiert, eine goldrichtige Entscheidung, wie sich herausstellte.
Zoidl konnte in wirklich eindrucksvoller Weise mit einer Soloflucht auf den letzten 15 Kilometern trotz starken Gegenwindes diesen Klassiker (erstmals) gewinnen und danach gleich seine nächsten Pläne erläutern: „Nächste Woche fahre ich noch eine Rundfahrt in Luxemburg, dann hab ich einige Zeit Pause, da werde ich fünf, sechs Tage das Rennrad nicht anrühren. Dann geht’s weiter mit dem Höhentrainingslager, wir fahren Ende Juni und im Juli (Ö-Tour!) ein starkes Programm, Jetzt heisst es aber, einmal Akkus aufladen, damit ich dann frisch bin.“ Und zu seinem Tagessieg in Horitschon: „Es war mein erster Saisonsieg heuer, ich wollte am Berg wegfahren, weil der Luki (Anm: Lukas Schlemmer, Teamkollege) war eine sichere Bank im Sprint, es war eine Genussfahrt auf den letzten vier, fünf Kilometern.“ Vermutlich werden das aber nur wenige Rennfahrer ähnlich erlebt haben!
Auf beeindruckende 480 Hektar Weinanbaufläche können die Winzer von Horitschon verweisen, die hohe Qualität ihres „Blaufränkischen“ hat sich nach der Ernte 2017 für alle Weinliebhaber wieder in einem “großen Jahrgang“ manifestiert, heißt es. Die Radrennfahrer haben aber zumindest während ihrer Burgenland-Rundfahrt kaum Zeit für einen Blick abseits des Rundkurses, der mehrere Kilometer lang direkt an den schon wieder üppig anwachsenden Weinstöcken vorbeiführt.
Aufgrund der hochwertigen Strecke und der vielen Zuschauer wird Horitschon wohl auch im kommenden Jahr wieder die ÖRV-Radbundesliga zu Gast haben. Diese dann 59. Auflage der Burgenland-Rundfahrt könnte dann sogar die Generalprobe für ein noch größeres Rennen sein: Zum „60er“ würde nämlich die Straßenstaatsmeisterschaft in Horitschon stattfinden. Das wäre eine tolle Wertschätzung für LRV-Landespräsident Edmund Berlakovich und seine vielen bienenfleißigen Helfer.
Die Eisenbahn hat Nachrang gegenüber den Rennfahrern: dieses Kuriosum stellt sich auf der alten Nebenbahnstrecke bei Horitschon dar. Die „Eisenbahn“ sind allerdings muskelkraftbetriebene Draisinen, deren Besatzungen (vorwiegend Touristen) gerne eine kurze Pause einlegen, um beim Bahnübergang- etwa bei der 1000 m-Marke vor dem Ziel -die Rennfahrer anzufeuern, ihre viel schnelleren Pedaleur-Kollegen auf der Landstraße gewissermaßen.
Ein waschechter Radsport-Manager hatte sich in Horitschon unters Fahrerfeld gemischt: Christian Grasmann, der 37jährige Geschäftsführer der oberbayerischen Pushbikers, die heuer mit dem Grazer Team WSA eine Renngemeinschaft bilden. Auf rund 70 Lizenzen im Nachwuchsbereich – hauptsächlich MTBler - ist der Verein aus Irschenberg stolz, ebenso auf gute Kontakte zur einschlägigen Radsportindustrie, wovon heuer auch die Grazer Radprofis profitieren können. Grasmann, stolzer Träger eines blonden Vollbartes, war ein exzellenter Bahnfahrer, hat über achtzig Sechstagerennen bestritten und mehrere EM-Medaillen auf der Bahn gewonnen. In Horitschon hat sich der „Hobbyradler“, so seine eigene Einschätzung, achtbar geschlagen: Grasmann kam mit der zweiten Hauptgruppe ins Ziel. Und dass sein Landsmann und Vereinskollege Helmut Trettwer das Burgenland als Bundesliga-Spitzenreiter verlassen durfte, hat sicherlich auch die bayerisch-steirischen Zukunftspläne positiv beeinflusst.